Peer-Gruppe Leipzig
bei Safe (Strassensozialarbeit für Erwachsene)
Demmeringstr. 32
04177 Leipzig
An die zukünftige Bundesregierung,
die gewählten Mitglieder des Bundestages
und der Landesparlamente und die gewählten Volksvertreter
Offener Brief zur Situation von wohnungslosen Menschen in Deutschland
Leipzig, 27.01.2025
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir sind eine Gruppe von Menschen mit Wohnungslosigkeitserfahrung aus Leipzig. Einige von uns waren im September 2024 im Bundestag und haben unsere Forderungen vorgetragen. Daraus ist eine Liste von Wünschen entstanden.
Überall in Deutschland leben Menschen auf der Straße – ihnen fehlt das Nötigste. Sichere Schlafplätze, Toiletten, Duschen, Privatsphäre usw. – alles fehlt.
Deutschland hat sich in internationalen Verträgen gesamtgesellschaftliche Ziele gesetzt, die jetzt umgesetzt werden müssen. Dazu gehört auch das Menschenrecht auf Wohnung. Deutschland hat einen Nationalen Aktionsplan zur Beendigung von Wohnungslosigkeit bis 2030 beschlossen, der vollkommen unzureichend ist: Bislang sind keine Effekte und Maßnahmen für uns und andere wohnungslose Menschen erkennbar. Hilfeeinrichtungen wurden nicht entlastet.
Um Armut und Wohnungslosigkeit zu überwinden, sollten wir jetzt mit konkreten Maßnahmen anfangen.
Wir nehmen Hoffnungslosigkeit wahr. Die Leute haben keine Zuversicht und kein Vertrauen mehr, ihre Situation ändern zu können. Das erschwert alles und grundsätzlich. Wir brauchen keine Facharbeitsgruppen, die über wohnungslose Menschen sprechen. Wir brauchen Lösungen, die sofort greifen und menschenwürdig sind und zur Verbesserung und Stabilisierung der Lebensumstände wohnungsloser Menschen führen. Wir brauchen keine Massenunterkünfte mit Zwangszuweisung. Dort finden wir nur Erniedrigung, schlechte hygienische Zustände, Schlaflosigkeit, Diebstahl, Gewalt und unglaublich hohe psychische Belastungen gepaart mit zu wenig und nicht adäquatem geschulten Personal. Das hilft nicht, sondern fördert psychische Instabilität, Sucht und Flucht vor dem System. Man fühlt sich in solchen Einrichtungen ausgestoßen und diskriminiert, nicht gewollt, nicht dazu gehörig. Du wirst täglich kontrolliert von der Security, die Behandlung ist herablassend. Genau das Gegenteil sollte jedoch angestrebt werden. Das ist in solchen Unterkünften nicht leistbar. Das schafft man aber mit Beteiligungsformaten. Das schafft man, wenn man gefragt wird und zusammen arbeitet, sich austauscht und sich gegenseitig ernst nimmt. Dies sollte Grundlage und Leitsatz (auch nach 2030) der Wohnungslosenhilfe werden
Wir schlagen vor, jetzt und sofort mit folgenden Punkten zu beginnen:
- Wohnungslose Menschen sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Seit Jahrzehnten wird über uns geredet, es ist nun an der Zeit, einen Anfang zu setzen und es anders zu machen. Wir sind ein vollwertiger Teil der Gesellschaft und möchten bei allen Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit aktiv eingebunden werden.
Unsere Lösungsansätze werden mit Sicherheit wesentlich preisgünstiger und nachhaltiger sein, als die paternalistischen Notlösungen im bestehenden System der sog. Wohnungslosenhilfe, wie von uns oben beschrieben. - Menschen benötigen jetzt eine Wohnung! Viele Grundstücke, Objekte und Wohnungen stehen leer, zum Teil schon seit Jahren. Wir möchten, dass alles getan wird, um diese Flächen und Wohnungen für obdachlose Menschen zur Verfügung zu stellen und Selbsthilfe zur Beschaffung von Wohnraum zu fördern und gesetzlich geschützt zu ermöglichen.
- Mieten müssen wieder bezahlbar werden, Zwangsräumungen in die Obdachlosigkeit sind menschenunwürdig und müssen unterbleiben.
Als Bundestagsabgeordnete*r bzw. als Volksvertreter*in werden Sie Politik gestalten, egal ob in Regierungsparteien oder in der Opposition. Für die Gestaltung von Politik sind Sie Fachleute, für die Situation wohnungsloser Menschen liegt das Fachwissen bei uns.
Wir treffen uns seit 2021 regelmäßig, beteiligen uns an den wöchentlichen Hilfetouren mit TiMMi ToHelp in der Leipziger Innenstadt, wir unterstützen Streetworkprojekte bei der Arbeit, haben uns Praktika selbst organisiert und ein Netzwerk aufgebaut, wir haben Kontakte zu Hochschulen und sind mit anderen Gruppen und Initiativen im deutschsprachigen Raum in ständigem Austausch. Unter anderem leisten wir Öffentlichkeitsarbeit und klären über die Situation von Menschen mit Armutserfahrung auf, auch an Schulen.
Wir möchten Sie deshalb einladen, nach Leipzig zu kommen und mit uns über unsere Anliegen in den Dialog zu kommen.
Wir laden Sie zu einer sozialen „negativen“ Stadtführung ein.
Wir möchten dabei unsere Arbeit vorstellen, aber auch über die Erweiterung und den Ausbau unserer Arbeit sprechen.
Wir werden unsere Sichtweisen, Ideen, Konzepte und Forderungen erläutern.
Wir treffen uns in Leipzig-Lindenau. Kommen Sie vorbei! Nehmen Sie zu uns Kontakt auf!
Freundliche Grüße,
Peer-Gruppe-Leipzig
Kontakt:
Ansprechpartner: Chriss