Guten Tag,
im Mittelpunkt des heutigen Newsletters steht Jürgen Schneider, ein langjährig vielfältig engagierter wohnungsloser Mensch, der gestern (24.03.2025) in Dinklage mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.
Jürgen Schneider ist unter anderem Initiator des Berber-Infos (http://www.berber-info.de/), einem unabhängigen Informationsportal für wohnungslose Menschen. Was heute selbstverständlich ist, sich Hilfenangebote im Internet zu informieren und zu orientieren, war zu Anfang des neuen Jahrtausend noch Geheimwissen der Sozialämter und der Nichtseßhaftenhilfe, die ein Papierverzeichnis in ihrer Schublade hatten. [Hinweis: Die Daten auf der Webseite vom Berber-Info werden seit einigen Jahren nicht mehr aktualisiert, die Informationen sind veraltet.]
Die Idee zum Berber-Info entstammt einer Broschüre in Niedersachsen, die Informationen für obdachlose Menschen bereitstellte. Nachdem diese Broschüre eingestellt wurde, entstand im Jahr 2006 die Idee, eine Webseite einzurichten, um die Informationen digital bereit zu stellen. Das Berber-Info verstand sich als unabhängiges Informationsportal für Wohnungslose im deutschsprachigen Raum. „Berber“ ist dabei die gelegentlich verwendete Selbstbezeichnung einer sozial organisierten Teilgruppe Wohnungsloser. Der Aufbau der Webseite gelang nur aufgrund der Unterstützung durch Akteure der Soziale Arbeit, vorrangig in Niedersachsen. In unterschiedlichen Zusammenhängen wurde dieses Projekt kommuniziert und bildete die Basis für eine Vereinsgründung. Das aus dem Berber-Info hervorgegangene Armutsnetzwerk e.V. (ANW), (http://www.armutsnetzwerk.de/) ein gemeinnütziger Verein, versteht sich als ein Zusammenschluss von wohnungslosen und ehemals wohnungslosen Menschen sowie Menschen mit Armutserfahrungen, Initiativen, Organisationen und Personen, die sich dem Kampf gegen Armut und Ausgrenzung gewidmet haben. Das Armutsnetzwerk wurde 2012 in Niedersachsen gegründet. Schon bald konnte eine Mitgliedschaft in der Nationalen Armutskonferenz (https://www.nationale-armutskonferenz.de/) erreicht werden.
Parallel dazu gab es Bemühungen, die Teilhabe und Selbstorganisation wohnungsloser Menschen zu verbessern und ein Projekt zu konzipieren, das sehr viel deutlicher an der Lebenssituation wohnungsloser Menschen anschließt: Die Idee von Wohnungslosentreffen (Sommercamps). Von Anfang an war klar, dass ein Projekt in dieser Größenordnung nur zusammen mit Profis gelingen kann und nicht selbst durchgeführt werden soll. Bereits 2010 gab es von Jürgen Schneider, Jutta Welle und Stefan Schneider erste Überlegungen und Planungen, ein Sommercamp in Grünheide bei Berlin zu organisieren. Diese Pläne scheiterten allerdings, weil das Gelände dann doch nicht zur Verfügung stand (https://www.drstefanschneider.de/texte/schneider-stefan-homeless-summer-camp-2010-germany-europe.html)
Letztlich konnte dann doch im Jahr 2015 mit Unterstützung von Pezer Szynka, damals Referent für Wohnungslosenhilfe im Diakonischen Werk Niedersachsen sowie der Wohnungslosenhilfe von Bethel im Norden am Standort Freistatt das Projekt Förderung von Teilhabe und Selbstorganisation wohnungsloser Menschen in Niedersachsen (Empowerment, Community Organizing, Sommercamps, Verstetigung) auf den Weg gebracht werden, das zunächst drei aufeinanderfolgende Wohnungslsoentreffen in den Jahren 2016, 2017 und 2018 vorsah (2017_Schneider_Stefan_Teilhabe_Selbstorganisation.pdf)
Die aktive Beteiligung von Jürgen Schneider und anderen Menschen aus dem Armutsnetzwerk bereits bei der Konzeption sowie in der Antrags- und Planungsphase des Projekts der Wohnungslsoentreffen war entscheidend wichtig für den Erfolg dieses Projekts. Sehr schnell wurde in den Gesprächen das Bedürfnis nach Organisationsformen von Selbstvertretung wohnungsloser Menschen deutlich. So wurde beispielsweise 2019 der leider weitgehend von der Stiftung Bethel gesteuerte Verein "Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V." (https://www.selbstvertretung-wohnungsloser-menschen.org) gegründet.
Viel bedeutender aber als diese Freistätter Vereinsgründung ist der Umstand, dass durch die Wohnungslosentreffen ein weites Netzwerk von wohnungslosigkeitserfahrenen Menschen, Gruppen, Projekten, Initiativen, Bündnissen und Vereinen im deutschsprachigen Raum entstanden ist, das es vorher so nicht gab.
Beispiele dafür sind Schlafen statt Strafen in Dortmund (https://www.schlafen-statt-strafen.org/), Obdachlose mit Zukunft in Köln (https://www.omz.koeln/), Union für Obdachlosenrechte in Berlin (https://ufo-berlin.org/), Peer-Gruppe Leipzig, Armut stinkt in Hannover, Randnotiz und Hildesheim und viele mehr. Auch die in letzter Zeit erschienen Bücher von Menschen mit Wohnungslosigkeitserfahrung wie Richard Brox, Janita Juvonen, Dominik Bloh, Tex Brasket, André Hoek, Linda Rennings und weiteren mehr wären nicht denkbar ohne die Ermutigung und Resonanz, die von Jürgen ausging.
Und letztlich gab Jürgen Schneider mit seinem Engagement auch den Impuls, im Jahr 2022 das Projekt Wohnungslosen_Stiftung (https://www.wohnungslosenstiftung.org/) zu starten. Das offene Netzwerk der Wohnungslosen_Stiftung mit seinen halbjährlichen offenen Netzwerktreffen versteht sich als Plattform der Selbstvertretung wohnungslosigkeitserfahrener Menschen. Die Wohnungslosen_Stiftung ist inzwischen als gemeinnützig und mildtätig anerkannt.
Die her aufgeführten Stationen sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Wirken von Jürgen und viele Dinge hat er auch bewegt und angestoßen, ohne großes Aufhebens darum zu machen.
Von Jürgen habe etwas sehr Wichtiges habe lernen können, nämlich immer tolerant und geduldig gegenüber wohnungslosen Menschen zu sein und nicht über sie zu urteilen.
In diesem Sinne: Jürgen: Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung.
Solidarische Grüße,
Stefan
PS: Hier noch ein Artikel aus dem Domradio
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Jürgen Schneider hat über 40 Jahre auf der Straße gelebt. Dass man auch da produktiv sein und wichtige Dinge bewegen kann, zeigt sein Beispiel. Jetzt erhält er für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz.
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Stefan Schneider / Wohnungslosen_Stiftung
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